15.09.2024 Sonntag - Hochwassereinsatz Münchendorf

Sonntag, der 15. September 2024, wird wohl in die Geschichte als jener Tag eingehen, an dem die Kameraden der Feuerwehr Münchendorf die meisten Einsätze mit den meisten gleichzeitig im Einsatz stehenden Mitglieder zu bewältigen hatten.

 

Der Tag startete bereits um 3 Uhr Sonntagfrüh mit einer Sirenenalarmierung zu Auspumparbeiten. Es sollte der erste von einer Reihe an Einsätzen an diesem Tag sein, denn die Regenmengen der vergangenen Tage und die dadurch steigenden Pegelstände der Flüsse Triesting und Schwechat waren die ausschlaggebenden Faktoren für die Hochwasserwarnung von Seiten der Bezirkshauptmannschaft, die Stunden zuvor an die Bürgermeister und Einsatzleiter der Blaulichtorganisationen verkündet wurde. Im folgenden Bericht sind die Ereignisse des Sonntag, 15. Septembers chronologisch dargestellt.

3-7 Uhr - Erste Einsätze, Erkundungsfahrt und Start des Sandsackfüllens

 

Bereits um 3 Uhr morgens heulten die Sirenen in Münchendorf. In der Kirchfeldgasse etwa auf Höhe des umgebauten Billa ging ein Kanal des örtlichen Abwassersystems über und drohte, in ein angrenzendes Wohnhaus überzulaufen. In Absprache mit dem äußerst besorgten Anwohner wurde der Kanal ausgepumpt und entlang des Zaunes Sandsäcke gelegt.

Zurück im Feuerwehrhaus angekommen gab es von Kommandant Armin Lahner an die anwesende Mannschaft die Information über die bevorstehende Hochwasserlage und dass es in Kürze eine Alarmierung der gesamten Mannschaft gäbe. Während ein weiterer Sturmeinsatz entlang der B16 abgearbeitet wurde - ein Baum drohte auf die Fahrbahn zu stürzen - machten Kommandant und Einsatzleiter Armin Lahner mit Kommandant-Stellvertreter Reinhard Hornig, eine Kontrollfahrt entlang der Triesting.

Um 6 Uhr früh heulten abermals die Sirenen in Münchendorf - die Hochwasser-Einsatzalarmierung für alle Feuerwehrmitglieder in Münchendorf wurde durchgeführt. Kurz darauf fanden sich etwa 25 Kameraden im Feuerwehrhaus ein, wo es die erste Lagebesprechung mit dem Feuerwehrkommando gab - auch Bürgermeister Sebastian Remmert, wohnten dieser Einsatzbesprechung bei.

Der erste Auftrag war die Inbetriebnahme der Sandsackfüllmaschine am Gelände der Biomasse-Recycling-Anlage. Dort wurden bereits am Freitag etwa 2.000 Sandsäcke gefüllt und alles für das weitere Füllen am laufenden Band im Einsatzfall vorbereitet - und so kam es auch. Um etwa 06:45 Uhr lief der erste gefüllte Sandsack "vom Band".

Um die Einsätze innerhalb von Münchendorf besser koordinieren zu können, wurde von Kommandant Lahner der Befehl zum Aufbau einer Einsatzleitung im Feuerwehrhaus Münchendorf gegeben, welche ab 06:30 Uhr mit 1-2 Mann dauerhaft besetzt war.

Eine weitere Erkundungsfahrt mit Einsatzleiter Lahner, seinem Stellvertreter Hornig sowie Bürgermeister Remmert brachte die Gewissheit über jene Gefahrenstellen, an denen beim weiteren Steigen des Triesting-Pegels der Hauptaugenmerk gelegt werden sollte.

 

8-11 Uhr - erster Damm wird gebaut, mehrere Einsätze im Ort

 

Wie bereits am Freitagnachmittag lief die Sandsackfüllmaschine nun wieder auf Hochtouren und so konnten in den ersten beiden Stunden bereits über 1.000 Sandsäcke gefüllt werden. Zeitgleich wurde vom Einsatzleiter bestimmt, dass unser technisches Einsatzfahrzeug - das LFA-B - für den Einsatz im Ort bereitmachen soll.

Die erste große Gefahrenstelle ergab sich neben dem Reithof in der Himbergerstraße - dort drohte die Triesting über die Ufer zu treten. Somit wurde dort der erste Schutzdamm von der Feuerwehr Münchendorf errichtet. Bei anhaltend starkem Regen an diesem Vormittag häuften sich die Anrufe in der Feuerwehr von besorgten Bürgern, bei denen sich Wasser im Keller sammelte, Betriebe, bei denen sich das Firmengelände überschwemmte und Anfragen für Sandsäcke zum Schutz im Falle eines Übertretens der Triesting.

 

Über die öffentlichen Medien wurde in den Morgenstunden bekannt gegeben, dass das gesamte Bundesland Niederösterreich zum Katastrophengebiet erklärt wurde. Von den knapp über 1.700 existierenden Feuerwehren in ganz Niederösterreich waren zu diesem Zeitpunkt bereits knapp 1.000 Feuerwehren im Einsatz - eine noch nie dagewesene Situation, dass die selbe Schadenslage in fast allen Bezirken Niederösterreichs existierte.

 

11-14 Uhr - der Pegel steigt weiter, Zivilschutzalarm wird ausgerufen

 

Der Pegelstand der Triesting stieg weiter und weiter, an der offiziellen Messstelle in der Gemeinde Fahrafeld weiter Flussaufwärts wurde kurz vor 11 Uhr der höchste Pegelstand erreicht, was bedeutet, dass diese "Welle" in etwa 6-7 Stunden in Münchendorf ankommen wird. Auch auf Grund dieser Tatsache wurde kurz vor Mittag ein Zivilschutzalarm für die Gemeinden Münchendorf und Achau entlang der Triesting ausgerufen. Von der Gemeinde wurden sämtliche Bereiche entlang der Triesting, wo man als Fußgänger hingelangen kann, vorsorglich gesperrt, zahlreiche Schaulustige befanden sich jedoch bei den Brücken über der Triesting, um das gefährliche Naturspektakel zu betrachten.

Die Feuerwehr Münchendorf hatte alle Hände voll zu tun, Einsatz für Einsatz in der Ortschaft abzuarbeiten. Auch bei der Sandsackfüllmaschine gab es laufend einen Wechsel der Mannschaft, damit die Maschine nicht steht. Die Einsatzleitung stand in laufender Abstimmung mit dem Krisenstab der Gemeinde, um die Lage zu bewerten und weitere Entscheidungen zu treffen.

Aus der Bevölkerung gab es zahlreiche Anfragen zur Mithilfe bei den Feuerwehrtätigkeiten, sodass um die Mittagszeit die ersten Freiwilligen Bürger beim Sandsackfüllen mithalfen. Der Zulauf an Helfern war groß, sodass zu Spitzenzeiten gleichzeitig etwa 25 Personen - zusätzlich zu den bereits über 50 eingesetzten Feuerwehrkameradinnen und Kameraden - mit anpackten.

 

14-17 Uhr - weitere Dämme werden errichtet, Triesting erreicht Höchststand

 

Die Hochwasserlage spitzte sich im Laufe des Nachmittags entlang der Triesting zu. Erste Meldungen erreichten uns, dass der Fluss bereits in Trumau sowie Achau über die Ufer getreten sei. Auch die Meldung über ein übervolles Rückhaltebecken weiter Flussaufwärts ließ die Befürchtung aufkommen, dass die Triesting auch in Münchendorf bald über die Ufer treten könnte. Vereinzelt passierte dies auch schon, jedoch glücklicherweise in Bereichen außerhalb von größeren Wohngebieten.

Seit dem Vormittag wurden am Parkplatz des Spar-Supermarktes auch Sandsäcke an die Bevölkerung für deren Selbstschutz ausgegeben. Zwar kann man mit solchen Wassermassen, wie sie an diesem Tag die Triesting entlangflossen, nicht wirklich rechnen, doch ist in solchen Situationen eine rechtzeitige Vorbereitung auf Eigenverantwortung das Maß der Dinge, weil die Feuerwehr-Einsatzkräfte im Falle eines solchen Hochwassers nicht überall gleichzeitig helfen können und die Einsatzstellen nach Lageerkundung und Priorität abhandeln. So wurde auch am frühen Nachmittag die Ausgabe von Sandsäcken an die Bevölkerung kurzfristig eingestellt, da diese für den Bau eines Damms entlang der Triesting in der Ortsmitte sowie in der Au benötigt wurden.

 

Es wurden innerhalb von 1,5 Stunden an zwei stellen zirka 300m Dämme aus Sandsäcken errichtet, um ein Übertreten der Triesting an diesen tiefen Uferstellen zu verhindern.

 

17-20 Uhr - der Damm hält, der Pegelstand sinkt langsam

 

Die Triesting erreichte etwa gegen 18 Uhr den Höchststand in Münchendorf, es gab bereits Berichte aus anderen Ortschaften der Triesting wie Trumau oder Achau, wo die Triesting bereits über die Ufer trat. In Münchendorf jedoch zeigten die getroffenen Maßnahmen Wirkung und alle Dämme hielten den Wassermassen stand, lediglich an einer Position kurz vor der Ortsgrenze zu Achau trat die Triesting über die Ufer, dabei handelte es sich jedoch um kein Siedlungsgebiet. Innerorts fehlten entlang der Triesting lediglich Zentimeter zu einem lokalen Übertritt.

Mit Spannung prüften die Einsatzkräfte in der Einsatzleitung die Pegelstände an den Messstellen entlang der Triesting und bemerkten, dass der Wasserstand nun erstmals rückläufig war. Auch in Münchendorf konnte eine Entspannung bemerkt werden und der Wasserstand der Triesting ging langsam, aber stetig zurück.

 

Die Freude bei den Einsatzkräften war groß, befürchtete man durch die Entwicklung der Lage an diesem Tag das Schlimmste. Ein Halten des Pegelstands und sein finaler Rückgang waren unter anderem auch durch ein Rückhaltebecken flussaufwärts zu verdanken, welches die enormen Wassermassen zuerst zurückhalten und dann kontrolliert ableiten konnte - ohne diesem Rückhaltebecken wüsste man nicht, wie weit der Pegelstand der Triesting noch angestiegen wäre.

 

Der Rückgang des Pegelstands bedeutete auch, dass der Bedarf an Sandsäcken innerhalb von Münchendorf nachließ. So kam von Einsatzleiter Armin Lahner gegen 18 Uhr der Befehl, dass die Befüllung von Sandsäcken vorerst eingestellt werden kann. Nach fast 12 Stunden und 8.000 gefüllten Sandsäcken, mit der tatkräftigen Unterstützung der Bevölkerung, pausierten alle fleißigen Helfer des "Einsatzabschnitts Sandsackfüllmaschine" und stärkten sich im Feuerwehrhaus bei guter Versorgung.

 

20-23 Uhr - die Triesting sinkt, die Schwechat gefährdet das Seedörfl

 

In den Abendstunden wurde es etwas ruhiger in Münchendorf. Zahlreiche Kameradinnen und Kameraden, wie auch Helfer aus der Bevölkerung sammelten sich im Feuerwehrhaus und waren froh und dankbar, dass die Wassermassen entlang der Triesting stetig nachließen. Trotzdem waren weiterhin zahlreiche Einsatzstellen innerhalb von Münchendorf abzuarbeiten. Es wurden Keller ausgepumpt, Dämme kontrolliert und Ausfahrten aus Münchendorf, die durch die Wassermassen blockiert waren, abgesichert. Vor allem die Straßen Richtung Achau und Laxenburg waren durch den Übertritt der Schwechat unter Wasser gesetzt worden, sogar die Südautobahn A2 war in beiden Richtungen wegen Überflutung gesperrt. 

Die Gefahr eines Überlaufens der Triesting war gebannt, jedoch trat die Schwechat bereits über die Ufer und bedrohte, die Häuser am Seedörfl unter Wasser zu setzen. Nach einer Erkundungsfahrt und Lagebesprechung zusammen mit der Polizei wurde entschieden, die Bewohner des Seedörfls aus ihren Häusern zu evakuieren, weil das Wasser bereits begann, die Straßen um den See zu fluten und nicht aufgehalten werden konnte. Die Feuerwehr unterstützte die Polizei bei ihrer Amtshandlung, parallel dazu errichtete die Gemeinde in der Volksschule ein Notquartier für die evakuierten Personen, die sonst nirgendwo anders unterkommen konnten.

 

Etwa gegen 23 Uhr waren die meisten Einsätze im Ortsgebiet abgearbeitet und die Einsatzkräfte entschlossen sich dazu, einen Bereitschaftsdienst einzurichten. So blieben die ganze Nacht über mindestens 11 Kameraden in Bereitschaft für weitere Einsätze.

 

Nach fast 21 Stunden Dauereinsatz endete ein Tag mit dem schlimmsten Hochwasser, was Münchendorf bis dato getroffen hat, betrachtet man die Menge an Wasser, die an diesem Tag die Triesting hinunterfloss - so etwas hat es in den vergangenen Jahrzehnten noch nie gegeben. Bei den Hochwasserereignissen 1997 und 2002, bei dem die Triesting in Münchendorf über die Ufer getreten ist, waren die Folgeschäden enorm, doch dieses Mal im September 2024 dürften wir mit einem blauen Auge davongekommen sein.